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Ausgabe 08/2025

Historischer Gebäudebestand vom 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts

Autor:in

Von: Dr. Ralf Gutfleisch und Laura Knoll

Veröffentlichungsdatum

03.07.2025

Frankfurt wächst an Bevölkerung, Fläche und Wirtschaftsleistung. Und dies schon seit Jahrhunderten. Eng verbunden mit diesem Wachstum sind die Herausforderungen im Bereich Bauen und Wohnen. Um Entwicklungen adäquat planen und folgerichtige Entscheidungen treffen zu können, braucht es vergleichbare und qualifizierte Daten. Dafür stellt die Frankfurter Statistik regelmäßig und aktuell Daten bereit.

Entwicklungslinien und Strukturbrüche werden jedoch nur in einer langfristigen Betrachtungsweise erkennbar. Eine epochen- und systemübergreifende Zusammenschau bietet Erkenntnisse, die bei einer kurz- oder mittelfristigen Übersicht verloren gehen.

Mit den aufwendig recherchierten Referenzdaten liegt nun eine kompakte historische und durchgehende Datenreihe zum Thema Bauen und Wohnen vom 18. bis 21. Jahrhundert vor.

Um die Daten übersichtlich gestalten und kommentieren zu können, wird es zwei Publikationen geben. Im ersten hier vorliegenden Teil sind die Daten bis 1950 veröffentlicht. Im zweiten Teil werden die Zahlen ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute dargestellt.

Die Angaben beziehen sich auf den jeweiligen Gebietsstand. Analog werden in den Grafiken die geltenden Stadtumrisse angezeigt. Wird der Mauszeiger über die Konturen bewegt, werden automatisch die Gebietserweiterungen eingeblendet. Bei Zahlenangaben erscheinen wiederum die Quellenanagaben.

Bevölkerungstabelle mit Anzahl der Häuser im Jahr 1811

Quelle: BLEICHER, Heinrich, 1895. Die innere Gliederung der Bevölkerung. II. Theil. Frankfurt am Main: Sauerländer. Statistische Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main und ihrer Bevölkerung. 2, S.72.

Datensammlung und -bereitstellung

Die Datensammlung umfasst den Wohnungs- und Gebäudebestand und die Daten der Baufertigstellungen. Baugenehmigungen wurden in dieser Zeit nicht oder nur selten erhoben.

Die Zusammenstellung der Daten bis 1950 war herausfordernd. In diesem Zeitraum standen keine einheitlichen Datenquellen zur Verfügung, wie dies für die Merkmale ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit den Statistischen Jahrbüchern der Fall war. Vielmehr mussten verstreut vorhandene Zeitreihen aus unterschiedlichen Quellen der letzten drei Jahrhunderte identifiziert, zusammengestellt und in vertretbarem Aufwand ausgewertet werden.

Dabei wurde die Objektivität der Quellen, soweit es möglich war, überprüft, die Erhebungsmethoden validiert und die Daten plausibilisiert. Teilweise müssen Lücken in Kauf genommen werden, da sich die Definitionen der erfassten Merkmale im Zeitverlauf stark veränderten oder Inkonsistenzen zwischen den Datenquellen auftraten. Auch konnten für gewisse Zeitabschnitte keine Daten recherchiert werden. Interpolationen, Schätzungen und Neuberechnungen wurden nicht vorgenommen.

Einbezogene Datenquellen

Der größte Anteil der Bestandsdaten stammt aus Veröffentlichungen des Statistischen Amtes. Vor dessen Gründung 1865 wurden regelmäßig statistische Daten vom Statistischen Comité des Frankfurter geographischen Vereins und dessen Nachfolger erfasst. Durch den starken Zuwachs der Bevölkerung und den angehenden Ausbau der Infrastruktur sah der Verein die Notwendigkeit einer regelmäßigen Berichterstattung und Beobachtung1. So veröffentlichte der Verein Daten zu Bauen und Wohnen in „Zur Statistik Frankfurts” ab dem Jahr 18482. Einige Veröffentlichungen wie die „Beiträge der Statistik der freien Stadt Frankfurt” wurden daher im Einvernehmen weitergeführt. All diese Daten wurden mit in die Zeitreihe aufgenommen.

Weitere wichtige Quellen waren die Volkszählungen. Diese ersten amtlichen Zählungen, die von 1811 bis zur Amtsgründung 1865 durch das damalige Polizeiamt durchgeführt und überwacht wurden, enthielten Bevölkerungs- wie Gebäudedaten3. Ebenfalls als Quelle wurden die unregelmäßig erschienenen „Deutschen und Europäischen Staatenvergleiche”, heutige Städte- und Ländervergleiche, mit einbezogen4.

Zusätzlich wurden Querverweise ausgewertet. So stammt die älteste recherchierte Gebäudezahl für Frankfurt aus dem Jahre 1761 aus einem Häuserverzeichnis, das angelegt wurde „zum Zwecke der Berechnung des Laternengeldes”5. In diesem wurden der Standort der Häuser, die Gebäudeklassifikation und die Länge der Fassaden sowie die zukünftigen Standorte der Laternen erfasst, um den Hausbesitzenden ein jährlich zu zahlendes Laternengeld zu berechnen.

Zu den Baufertigstellungen, vor allem den Fertigstellungen der Neubauten, liegen die meisten Daten vor. Die damaligen bauamtlichen Mitteilungen wurden regelmäßig von unterschiedlichen Quellen erfasst und ausgewertet u.a. auch von der Frankfurter Handelskammer.

Übersicht des Stadtgebietes im Jahr 1892

Quelle: BLEICHER, Heinrich, 1892. * Die äußere Vertheilung der Bevölkerung. I. Theil.* Frankfurt am Main: Sauerländer. Statistische Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main und ihrer Bevölkerung. 1.

Entwicklung des Stadgebietes und der Bevölkerung bis zum Zweiten Weltkrieg

Gebietsänderungen wirken sich unmittelbar auf die Zahl der Bevölkerung als auch auf die des Gebäudebestandes aus, so dass räumliche Entwicklungen stets mit betrachtet werden müssen.

Das Frankfurter Stadtgebiet und hier besonders die bebaute Fläche war bis zum 16. Jahrhundert auf die heutige Altstadt, Innenstadt und Teile Sachsenhausens begrenzt. Sie betrug rund 28 Prozent der aktuellen Fläche von 24.831 Hektar. Ab dem 19. Jahrhundert dehnte sich die Fläche durch Eingliederungen kontinuierlich aus. So vergrößerte sich das Stadtgebiet in hundert Jahren von 6.965 Hektar im Jahr 1800 um mehr als ein Viertel auf 9.390 Hektar. Während zuerst nur die direkt angrenzenden Siedlungsgebiete eingemeindet wurden, kam es 1910 zu deutlich größeren Gebietserweiterungen im Norden der Stadt. Achtzehn Jahre später folgten weitere Eingemeindungen entlang des Mains. Im Westen wurde u.a. die Stadt Höchst am Main und im Osten Fechenheim übernommen und integriert. 1928 erreichte das Stadtgebiet Frankfurts schließlich eine Größe von 19.463 Hektar. Die nächste Gebietserweiterung folgte erst wieder in den 1970er Jahren6.

Ebenso wie das Stadtgebiet stieg die Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprunghaft an. Bei der ersten Volkszählung in Frankfurt am Main im Jahr 1811 betrug die Bevölkerungszahl noch 40.485. Im Jahre 1875 hatte sich die Zahl vor der ersten Eingemeindungswelle mit 103.136 durch Geburten und Zuwanderung schon mehr als verdoppelt. Nur 15 Jahre später stieg die Zahl schließlich auf 288.989. Im Juni 1933 wurden schließlich mit 555.857 die meisten Einwohnerinnen und Einwohner vor dem Zweiten Weltkrieg gezählt. Aufgrund der Kriegsgeschehnisse und der Zerstörung fiel die Anzahl im Oktober 1945 auf 357.405.

Entwicklung des Stadtgebietes Frankfurt am Main

Quelle: Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main.

Entwicklung des Gebäudebestands

Der Gebäudebestand entwickelte sich im Betrachtungszeitraum in etwa analog, wenn auch unzureichend für einen derartigen Bevölkerungszuwachs.

Bis 1847 stieg der Gebäudebestand nur langsam und kontinuierlich auf 3.484 Gebäude an7. Die Entwicklung konzentrierte sich vor allem auf die heutige Altstadt. Die Bebauung erfolgte unsystematisch und richtete sich überwiegend nach dem jeweiligen kurzfristigen Bedarf. In der Regel erfolgten keine Hausabbrüche, es wurden vielmehr vorhandene Gebäude umgebaut und zusammengelegt. Hinterhöfe wurden zudem dicht bebaut. Mit der Schleifung der Wallanlage und die daran anschließende Expansion des Stadtgebietes in die Außenbezirke konnte ab 1860 eine Zunahme des Bestandes verzeichnet werden. Innerhalb von vier Jahrzehnten vervierfachte sich die Zahl der Gebäude durch Eingemeindungen und Neubauten von 4.117 im Jahr 1858 auf 16.663 im Jahr 1900. Bis 1939 wuchs der Bestand weiter, auf einen vorläufigen Höchststand von 47.558 Gebäuden. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs führten jedoch dazu, dass 1945 nur noch 29.774 Gebäude bewohnt werden konnten.

Historische Darstellung der Entwicklung der Bevölkerung und des Stadtgebiets im 19. Jahrhundert

Quelle: STATISTISCHES AMT FRANKFURT AM MAIN, 1905. Aus den Ergebnissen der Volkszählung vom 1. Dezember 1900. Frankfurt am Main. Beiträge zur Statistik der Stadt Frankfurt am Main, Ergänzungsheft 7, S. 2, 5.

Die Definition einiger statistischer Begriffe hat sich ebenso wie die Relevanz einzelner Merkmale im historischen Verlauf geändert. So wurde eine Unterscheidung in Wohn- und Nichtwohngebäude in den verwendeten Quellen nicht vorgenommen. Nach heutiger Definition würde es sich um Gebäude mit Wohnraum handeln. Anstalten und Wohnheime wurden in den Quellen separat ausgewiesen. Sie wurden nicht berücksichtigt.

Die Unterteilung der Gebäude erfolgte im 19. Jahrhundert häufig in Vorder- und Hinterhäuser und in Haupt- und Nebengebäude. Ebenso erfolgte eine Kategorisierung nach Zahl der Stockwerke. In der Aufbereitung wurde stets die Gesamtsumme betrachtet.

Bei der Anzahl der Wohnungen handelt sich um Wohnungen in bewohnten Gebäuden. Im 19. Jahrhundert wurde zudem nach vermieteten Wohnung und Wohnungen im Eigentum differenziert, die in der Aufbereitung summiert wurden.8

Vergleich des Gebäudebestands 1761 und 1950

Entwicklung des Bestands der Gebäude mit Wohnungen in Frankfurt am Main zwischen 1761 und 1950

Quelle: Historisches Häuserverzeichnis, Statistisches Amt Frankfurt am Main, Volkszählungen

Entwicklung des Wohnungsbestands

Für den Wohnungsbestand liegen deutlich weniger Daten vor, da bis 1850 überwiegend Gebäude gezählt wurden. Der Schwerpunkt der statistischen Erfassung lag bei den Wohnungsdaten zudem auf den Baufertigstellungsmeldungen. Parallelen zur Entwicklung des Gebäudebestandes können dennoch nachvollzogen werden.

So wurden Mitte des 19. Jahrhunderts 10.862 Wohnungen ausgewiesen (1847). Die Wohnungen waren klein, häufig überbelegt und es lagen schlechte hygienische Bedingungen vor. Durch Eingemeindungen und Neubauten versechsfachte sich fast die Anzahl der Wohnungen auf 60.911 Wohnungen im Jahr 1900. Der Höchststand wurde schließlich im Jahr 1939 mit 176.253 Wohnungen ermittelt. Dieser Anstieg ist auch auf staatlich aufgelegte Bauprogramme wie „Neues Frankfurt” zurückzuführen. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sank die Zahl auf 112.541 im Jahr 1945.

Bestand der Wohnungen in Frankfurt am Main seit 1800

Quelle: Statistisches Amt Frankfurt am Main, Volkszählungen

Entwicklung der Gebäudefertigstellungen

Im Gegensatz zu den Bestandsdaten gibt es bei den Baufertigstellungen kaum Lücken. Diese konnten somit seit 1806 ermitttelt werden. Die Zahl der Gebäudefertigstellungen galt schon damals als wichtiger Indikator für die Entwicklung der Stadt. So stammen die Daten vor 1850 aus der ersten Veröffentlichung der Statistischen Abteilung des Geographischen Vereins. Ab 1864 veröffentlichte die Handelskammer Frankfurt am Main diese in ihrem Jahresbericht.

Bis 1847 blieb die Anzahl der jährlichen Neubauten konstant auf niedrigem Niveau bei unter 50 Gebäuden im Jahr. Umbauten an bestehenden Gebäuden und Zusammenlegungen waren eher die Regel, als neue Gebäude auf einer durch räumliche Rahmenbedingungen begrenzten Fläche zu bauen.

Mit der einsetzenden Industrialisierung, dem Bevölkerungswachstum und der Vergrößerung des Stadtgebietes kam es ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem ersten Bauboom, der abrupt durch den Ersten Weltkrieg endete. Danach führten Wohnungsnot und Inflation in den 1920er Jahren zu einer Umkehr in der Stadtplanung. Die neuen Bautechniken sowie staatliche Förderungen führten zum höchsten Anstieg von Fertigstellungen in der gesamten Betrachtungsperiode. So wurde 1926 die Spitze mit 1.837 fertiggestellten Neubauten erreicht. In den 1930er Jahren kam es durch die Fokussierung auf die Kriegswirtschaft zu einem deutlichen Rückgang im Wohnungsbau. Die letzte Zahl wurde vor dem Krieg 1939 veröffentlicht: Hier wurden nur noch 193 Gebäude fertiggestellt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg stieg die Anzahl der Neubauten wieder deutlich an.

Fertigstellungen von Neubauten9

Quelle: Handelskammer, Statistisches Amt Frankfurt am Main.

Entwicklung der Wohnungsfertigstellungen

Zu den Wohnungsfertigstellungen liegen erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts Daten vor. Die Zahl stieg von 376 im Jahr 1880 bis auf 3.294 im Jahr 1905. Im Zeitraum während und nach dem Ersten Weltkrieg sank die Zahl wieder auf 758. Der hohe Anstieg auf 2.794 im Jahr 1926 ist auch auf das Stadtplanungsprogramm „Neues Frankfurt” zurückzuführen. Unter dem Frankfurter Stadtbaurat Ernst May entstanden in Modulbauweise als öffentlich-private Partnerschaft rund 12.000 neue Wohnungen. 1930 erreichte die Zahl der Wohnungsfertigstellung mit 5.730 ihren Höhepunkt, danach nahm sie bis 1939 wieder konstant ab.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ deutliche Einschnitte im städtischen Wohnungsgefüge. Ein großer Teil der Wohnungen wurde durch die Luftangriffe in der Innenstadt zerstört. Dennoch überstanden mehr als 80 Prozent der Wohnungen in den Randbezirken und den neuen Stadtteilen die Zerstörung durch die Luftangriffe weitgehend unversehrt. Dieser Gebäudebestand bildete die Grundlage für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit. Im Jahr 1949 wurden mit 2.229 erstmals wieder mehr Wohnungen fertiggestellt als direkt in den Kriegsjahren.

Fertigstellungen von Wohnungen

Quelle: Statistisches Amt Frankfurt am Main, Volkszählungen

Fußnoten

  1. BAUER, Thomas, 2015. Die Stadt in Zahlen: Geschichte des statistischen Amtes in Frankfurt am Main. In: STADT FRANKFURT AM MAIN - DER MAGISTRAT - BÜRGERAMT, STATISTIK UND WAHLEN, Hrsg. Frankfurter Statistische Berichte 2015. Frankfurt am Main, S. 2↩︎

  2. MEIDINGER, Heinrich, 1848. Zur Statistik Frankfurts: Wohnplätze, Bevölkerung, Brod- und Fleischverbrauch, Gewerb- und Armenwesen. Frankfurt am Main: Heinrich Ludwig Brönner, S. 4↩︎

  3. BAUER, Thomas, 2015. Die Stadt in Zahlen: Geschichte des statistischen Amtes in Frankfurt am Main. In: BÜRGERAMT, STATISTIK UND WAHLEN, Hrsg. Frankfurter Statistische Berichte 2015. Frankfurt am Main: Bürgeramt, Statistik und Wahlen, S. 6↩︎

  4. Siehe z.B. HÖCK, Johann Daniel Albrecht, 1800. Statistische Übersicht der deutschen Staaten, in Ansehung ihrer Grösse, Bevölkerung, Producte, Industrie und Finanzverfassung. Basel, Tabelle VI 2↩︎

  5. BLEICHER, Heinrich, 1892. Die außere Vertheilung der Bevölkerung: I. Theil.Sauerländer. Statistische Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main und ihrer Bevölkerung. 1, S. 55↩︎

  6. Bürgeramt, Statistik und Wahlen, 2024. Straßenverzeichnis Frankfurt am Main 2024. Frankfurt am Main: Bürgeramt, Statistik und Wahlen↩︎

  7. Bis zum Jahr 1858 gab es keine Daten zu Gebäuden mit Wohnungen. Die Zahlen für diese Jahre beziehen sich auf die Gesamtzahl der Gebäude.↩︎

  8. STATISTISCHES BUNDESAMT, 1975. Gebäude und Wohnungszählung vom 25. Oktober 1968. Stuttgart und Mainz: Kohlhammer. Bauwirtschaft Bautätigkeit Wohnungen. 1, S. 65↩︎

  9. Zwischen 1906 und 1939 handelt es sich um die Gesamtzahl der fertiggestellten Wohnungen, bei den Daten davor um die Fertigstellung von neuen Wohnungen.↩︎

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